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AUS DEM DEFENSIVEN MITTELFELD
Thomas Weckerlein, Vorstandsvorsitzender Rudolf Wöhrl SE

Thomas Weckerlein ist seit August 2020 Vorstandsvorsitzender des vor fünf Jahren in Turbulenzen geratenen deutschen Textil-Familienunternehmens Wöhrl mit Sitz in Nürnberg und glühender FC Nürnberg-Fan. Er bedient sich daher gerne an Analogien aus dem Fußball.

Eine hohe Leidensfähigkeit zeichne ihn aus, verrät Thomas Weckerlein, referenziert diese aber keineswegs auf die Wöhrl SE sondern seinen Lieblingsfußballclub FC Nürnberg. „Mit diesem Verein erlebt man unfassbare Gefühlsbäder: DFB-Pokalsieger und Absteiger aus der Bundesliga im selben Jahr. Im Vorjahr hat der FC Nürnberg erst in der 93. Minute den Abstieg in die dritte Liga verhindert! Aber: Einmal Clubfan, immer Clubfan. Das passt auch zu meinem Charakter.“

Tatsächlich verbindet der 1968 in Nürnberg geborene Thomas Weckerlein und das fränkische Modehaus Wöhrl auch ein in der klassischen Businesswelt ungewöhnlich langes berufliches Miteinander. 1998 wurde Weckerlein aus seiner beruflichen Langeweile, wie er das selbst bezeichnet, von Wöhrl abgeworben. Weckerlein: „Ich hatte praktisch Beamtenstatus, aber auch einen extrem trockenen Job als Betriebsprüfer bei einer gesetzlichen Krankenversicherung. Ich war für das Thema Sozialversicherung bei größeren Unternehmen zuständig. Man hat mich lieber gehen als kommen sehen.“

Bei Wöhrl war das umgekehrt: Zunächst ging es vier Jahre lang in die Lohn- und Gehaltsabteilung, ehe Thomas Weckerlein zum Bereichsleiter „Personal“ wurde und damit Verantwortung für rund 3.300 Mitarbeiter des Nürnberger Traditionsunternehmen übernehmen durfte. Und das, obwohl Weckerlein selbstkritisch vermerkt: „Wenn ich mir meinen Lebenslauf von damals so anschauen, muss ich sagen: Den Typen kann man nicht einstellen.“

Der „Typ“ macht seinen Job jedoch ganz hervorragend, ehe sich Weckerlein von 2013 bis Mitte 2017 einen kurzen, fünfjährigen Ausflug in die Marketing- und Kommunikationsbranche erlaubt: „Ich bin aber in meiner beruflichen Ecke geblieben, und war in meiner Funktion für das Personalwesen zuständig.“

Dadurch, und darüber sei er sehr froh, hat sich Weckerlein die ganz harten Zeiten und auch das dunkelste Kapitel von Wöhrl erspart: Das Schutzschirmverfahren, eine besondere Verfahrensart des deutschen Insolvenzrechts, mit dessen Hilfe eine Insolvenz des Unternehmens nach einer misslungenen Übernahme abgewendet werden konnte. Jedoch nicht ohne heftige Einschnitte.

Tradition & Startup – Neustart & Corona

Wöhrl Neu übernimmt zwar große Teile des insolventen Unternehmens, ist aber im Wortsinn auch ein Start Up – eines mit Tradition. Und am 2. Oktober 2017 kehrt Weckerlein in die Zentralverwaltung von Wöhrl zurück: „Es war das gleiche Bürogebäude, bloß saßen auf 16.700 Quadratmeter nur noch 95 Mitarbeiter. Wir hatten gefühlt mehr Drucker als Angestellte.“

Es folgten Monate des „Aufräumens“ und des Entflechtens von IT Systemen und Abläufen. Grund des teils außergewöhnlich Geflechts – Weckerlein: „Allein 53 verschiedene IT Systeme waren in Verwendung“ – war die Übernahmen des ebenfalls traditionsreichen Textilunternehmen Sinnleffers 2013 durch die Wöhrl AG und der misslungene Versuch zwei völlig unterschiedliche Unternehmenskulturen zu verheiraten.

Weckerlein: „Das Problem bei der Zusammenführung der zwei Traditionsunternehmen war, dass viele diplomatische Entscheidungen getroffen wurden aber zu wenige fachliche. Dadurch wurden beiden Unternehmen Systeme zugeführt, die nicht zur Struktur des jeweils anderen Unternehmens gepasst haben. Als kleines Beispiel sei das Thema SAP angeführt, dass Sinnleffers miteingebracht hat. SAP hat aber nicht mit der bestens funktionierenden Warenwirtschaft von Wöhrl kommuniziert.“

Parallel mit dem Aufräumen und dem Entwirren der Systeme ging es für Thomas Weckerlein rasch die Karriereleiter bei Wöhrl hinauf: 2018 wurde Weckerlein Vorstand für Personal, Finanzen, IT und Controlling, 2019 kamen die Bereiche Einkauf und Marketing dazu, schließlich avanciert er im August 2020 zum Vorstandsvorsitzenden. Weckerlein: „Im Marketing bin ich aber nicht der Kreative, sondern der Nörgelnde. Ich frage immer nach, was uns welche Aktion bringt. Ich sehe mich da im defensiven Mittelfeld. Mein Job ist es, darauf zu achten, dass hinten die Null steht und ich aus der kontrollierten Defensive die Bälle an meine Kollegen verteile.“

Einer dieser Bälle galt den 29 stationären Läden von Wöhrl, die wieder auf Vordermann gebracht werden sollen. „Wir sind in den Städten, wo wir vertreten sind, immer die Nummer 1, der Platzhirsch“, weiß Weckerlein um die Bedeutung eines gelungenen Außenauftritt. Und das ist man den rund 800.000 Stammkunden auch schuldig. Weckerlein: „Die sind wie die Fans vom FC Nürnberg und gehen mit uns durch dick und dünn.“

Dann kam Corona.

Rudolf Wöhrl, Stammhaus Nürnberg
Syngroup als hilfreicher Partner

Als gestandenes Traditionsunternehmen stand der Vertrieb via Online-Shop nicht besonders weit oben auf der Prioritätenliste. Weckerlein nennt es ein zartes Pflänzchen, zumal es bereits der vierte Anlauf bei Wöhrl war, einen Online-Shop zu etablieren. „Wir verkaufen auch Emotionen, und damit ein Einkaufserlebnis. Und das werden viele Menschen vermutlich in der Post-Corona-Zeit suchen. Man wird rauswollen, Café trinken und sich inspirieren lassen“, ist sich Weckerlein sicher, „denn wenn es nur um das Einkaufen per se ginge, würde das der Online-Handel locker abdecken. Aber Corona hat dazu geführt, dass wir das Online-Thema forciert haben.“

Corona hat ebenfalls dazu geführt, dass Weckerlein sich fast reflexartig mit allen Liquidität sichernden Maßnahmen beschäftigt. Da kommt über Vermittlung der Hausbank von Wöhrl die Bayern Consult, eine Tochter der Syngroup auf Empfehlung ins Spiel. Weckerlein: „Die Syngroup wurde aufgrund ihrer Expertise zu einem wichtigen Partner in der Corona-Krise. Wenn du deine Geschäfte nicht aufsperren kannst, hast du das Gefühl zu verbluten. Und wir mussten mit Hilfe der Syngroup evaluieren, ob Wöhrl auch tatsächlich alle Liquidität sichernden Maßnahmen konsequent und richtig umgesetzt hat.“

Außerdem galt es, den Banken einen Drei-Jahresplan vorzulegen, wie sich die Textilindustrie entwickeln würde. Da braucht es zum Verproben der Zahlen einen kompetenten Sparringpartner. Weckerlein: „Dieser Sparringpartner muss unsere Zahlen kritisch hinterfragen, uns liebevoll auf die Nerven gehen und uns bei den vielen Thesen, die wir für den Drei-Jahres-Plan aufstellen, einen Spiegel vorhalten. Und das hat Syngroup hervorragend gemacht.“

Denn der berühmte fremde Dritte ist ein hilfreicher Partner, wenn im Kreis der Kollegen das Zahlenwerk diskutiert wird, und der Vertriebschef, der Marketingleiter, der Einkaufsleiter jeweils seine Interessen im Blick hat. „Syngroup muss nicht um ein Budget kämpfen und ist der ideale Partner, der mich darin unterstützt, einen neutralen Blick auf die Zahlen zu werfen. Zudem bringt das Team jede Menge Erfahrung und Expertise aus anderen Unternehmen und Branchen mit. Auch das ist außerordentlich hilfreich“, sagt Weckerlein.

Rudolf Wöhrl SE

Die Rudolf Wöhrl SE ist ein deutsches Bekleidungsunternehmen mit Hauptsitz in Nürnberg, das 1933 von Rudolf Wöhrl gegründet wurde. Die Wöhrl Unternehmensgruppe verfügt über 29 Standorte, vorwiegend im süddeutschen Raum und beschäftigt rund 1.600 Mitarbeiter. 2019 erwirtschaftete Wöhrl einen Umsatz von 208,4 Mio. Euro

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